Negativer Ölpreis: Die Erklärung des Phänomens

21.04.20 • 12:14 Uhr • HeizOel24 News • Oliver Klapschus

Die Aufregung war groß! Negative Ölpreise, das gab es noch nie und klingt für viele unglaublich. Ein verspäteter Aprilscherz? Nein. In der Tat, wer gestern ein Barrel US-Rohöl (WTI) zur Lieferung im Mai kaufte, bekam in der Spitze bis zu 40 Dollar je Barrel als Kaufprämie on top. Mit dem nötigen Wissen um die Marktmechanismen lässt sich das Phänomen allerding schnell erklären. Öl wird in Form von Futures an der Börse gehandelt. Monatliche Terminkontrakte, die zu einem bestimmten Fälligkeitstermin auslaufen und dann durch die physische Lieferung des Rohstoffs erfüllt werden.

WTI zur Lieferung im Mai hat heute seinen letzten Handelstag. Da es am Markt zumeist mehr Akteuren gibt, die zwar über Öl-Spekulationen Geld verdienen wollen oder das Öl aus anderen Gründen handeln, aber niemals Interesse daran haben, dass ihnen tatsächlich auch nur ein einziges Fass Öl geliefert wird, entstand gestern eine Art „Schwarzer-Peter-Spiel“ an der Börse. Die verbriefte Kaufverpflichtung rechtzeitig vor Ultimo aus dem eigenen Depot zu kicken, gelang nicht mehr. Normalerweise geschieht dies, indem man den Bezugsschein an jemanden veräußert, der das Öl tatsächlich haben will und es sich im Folgemonat im zentralen Andienungslager für Nymex-Kontrakte in Cushing, Oklahoma abholt. Teils steigt der Preis dabei sogar an, wenn weniger Öl da ist, als kurzfristig gebraucht wird. Doch im Corona-Mai 2020 braucht niemand in Amerika mehr kurzfristig Öl. Die Raffinerien nicht, die Tankstellen nicht, die Flughäfen nicht. Der Bedarf hat sich halbiert. Auch die Großtanklager drohen in Kürze überzulaufen, wenn die Förderung nicht sinkt. Ein möglicher Abnehmer ist der Staat, der strategische Reserven auffüllen könnte. Aber auch hier sind die Lagerkapazitäten endlich.

Auch der Blick auf andere Branchen hilft bei der Erklärung des Phänomens der negativen Ölpreise von gestern. So ist es an der Leipziger Strombörse fast schon Normalität, dass der Strompreis aufgrund der Angebotsspitzen, die Solar- und Windstrom mit sich bringen, kurzzeitig in den Minus-Bereich fällt – immer dann, wenn plötzlich mehr Strom da ist, als gebraucht wird. Da überschüssiger Strom, abgesehen von Batterien, nicht lagerfähig ist, muss er ad hoc über das Netz ins Ausland abfließen. Die Abnehmer verlangen gewissermaßen eine Entsorgungsprämie.

Solange die krasse Überversorgung des Ölmarktes anhält, könnte sich das Schauspiel negativer Ölpreise nun monatlich wiederholen. Amerika ist aufgrund seiner Angebotsstruktur (hohe Inlandsförderung, geografisch abgeschotteter Markt) für ein derartiges Szenario prädestiniert. Europa, das am Markt über die Ölsorte Brent (Nordseeöl) definiert wird, war gestern schon allein deshalb nicht vom Phänomen betroffen, da der monatliche Kontraktwechsel bei Brent erst am 30. April ansteht und dann der Juni zum neuen Frontmonat wird. Der Mai-Kontrakt auf Brent hatte seinen letzten Handelstag bereits am 31. März. Was am 30. April passiert, ist allerdings offen. Nach dem gestrigen Markt-Schock sind die Ölpreise auf breiter Front im freien Fall! Die Terminmarktkurve ist außergewöhnlich steil doch auch die Preise für spätere Liefermonate brechen aktuell ein. Brent verbilligt sich am Dienstagmittag um gut fünf Dollar je Barrel. Der Juni kostet gegenwärtig 19,90 Dollar. Es folgen 24,00 im Juli, 26,60 im August und 28,70 im September. Ab Oktober werden dann wieder mehr als 30 Dollar je Barrel Brent aufgerufen. Ganz ähnlich gestaltet sich auf mittlere Sicht die Terminmarktkurve jenseits des Atlantiks. WTI kostet: -3,50 Dollar im Mai, 16,50 im Juni, 22,30 im Juli, 24,50 im August. Ab Januar 2021 sind es dann auch für WTI wieder über 30 Dollar je Barrel Speziell am langen Ende wird deutlich: Öl ist Öl und die Preise von Brent und WTI unterscheiden sich kaum.

Wer als Kapitalanleger nun denkt, er könne den negativen Ölpreis als historische Einstiegschance nutzen und über börsengehandelte Rohstoffzertifikate Kapital daraus schlagen, der sei an dieser Stelle gewarnt. Zertifikat auf Brent, WTI und vieles mehr gibt es reichlich und diese sind auch leicht zu handeln. Aufgrund der oben geschilderten Mechanismen des Terminmarktes entstehen bei Open-End-Zertifikaten allerdings sogenannte Rollverluste. Einmal monatlich wird die auslaufen Kaufoption, die hinter dem Zertifikat steht, automatisch verkauft und durch eine Neue für den Folgemonat ersetzt. Ist der Folgemonat teurer (Contango), gibt es weniger Öl für´s Geld. Der Wert des Zertifikats sinkt. Normalerweise schleichend – aktuell drastisch.

Und der gemeine Ölheizungsbesitzer? Wie sollte er auf die neuen Marktturbulenzen reagieren? Zunächst am besten gar nicht! Ruhig bleiben und Abwarten, statt voreilig bestellen, lautet die Devise, denn das Weltmarktgeschehen hat aktuell kaum noch etwas mit dem heimischen Heizölmarkt zu tun. Die Preisbildung hat sich entkoppelt. Mittelfristig besteht allerdings die große Chance, dass auch Heizöl deutlich billiger wird. Grundvoraussetzung ist jedoch die Abarbeitung des Auftragsstaus im Handel, der durch die zurückliegende Bestellflut auf mehrere Monate im Voraus ausgelastet ist. Schnäppchenjäger sollten sich beim Heizöl bereits jetzt auf dem Hochsommer verlegen. Dass die Ölpreise schnell und nachhaltig steigen, wird immer unwahrscheinlicher. - ok

HeizOel24-Tipp: Wie lange reicht Ihr Heizöl? Mit meX beobachten Sie Füllstand, Verbrauch und Preisentwicklung auf dem Handy. Machen Sie die HeizOel24-App zu Ihrem smarten Assistenten. HeizOel24. 21.04.2020

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